5 einfache Regeln für Ethernet in der Gebäudetechnik
Warum? Die Art des Netzwerkkabels und die zugehörigen Stecker dürfen nicht als eigenständige Komponenten betrachtet werden - sie sind Teil eines Ökosystems von verfügbaren und geforderten Datenraten, Switchen, Routern, Netzwerkkarten und Transceivern. Nehmen wir IEEE 40GBASE SR als Beispiel. Vor zwei Jahren war diese Technologie bzw. dieser Standard nicht wirklich interessant. Es gab vereinzelte Switche, die diesen Standard unterstützten, Transceiver waren vergleichsweise teuer und 40G Netzwerkkarten waren eher Exoten im Feld. In 2014 änderte sich dieses Bild schlagartig. Auf einmal gab es im Markt bezahlbare Switche mit 48 x 10G SFP+ und 4 x 40G QSFP+ Slots, 40G Transceiver sind im Preis extrem gefallen und Server werden per Default mit 10G oder 40G Netzwerkkarten ausgerüstet. Jetzt kommt das Problem. Viele Gebäudeplaner haben nicht gedacht, dass für 40G BASE SR:
- 8 fasern für die 40G benötigt werden (anstelle von 2 fasern für 10G BASE SR)
- die maximale Distanz bei einer OM3 Faser auf 100 m eindampft (im Vergleich hierzu liegt die maximale Distanz bei 10G BASE SR noch bei 300 m)
. |------> <-----------> <------| ||------> <-----------> <------|| QSFP+ SR4 <------|| ||------> QSFP SR4 40G Link ||------> <-----------> <------|| 40G Link |------> <-----------> <------| MPO nach 8 Fasern MPO nach 4 x LC-Duplex MMF LC 4 x LC-Duplex Breakout Kabel Breakout Kabel
Ich habe mich daher entschlossen, mein „Netzwerke für Gebäudeplaner - 5 einfache Regeln“ zu veröffentlichen:
the basis for the 5 rules building
Regel 1:
Verwende Direct Attached Cable innerhalb eines 19“ Schranks. Maximale Länge: 5 m
DACs funktionieren und sind kostengünstig und verbrauchen weniger Strom als Transceiver. Falls einem DACs nicht gefallen und/oder Probleme auftreten (Achtung: wir haben mit DACs eine galvanische Verbindung auf den Highspeed-Lands von zwei Geräten), dann kann man auf SFP+ / QSFP+ SR ausweichen.
Regel 2:
Verwende Multimode OM3 zwischen Schrankreihen in einem Raum (Datacenter). Maximale Länge: 100 m
Das Kabel ist schnell verlegt und schnell ausgewechselt. Deswegen einfach OM3 Fasern / Faserbündel werfen und gut ist. Reicht das mal nicht mehr aus, dann kann man eine neue oder zusätzliche OM4 oder gar OM5,6,7,8,9 [Anmerk.: mir ist derzeit nicht klar, wo die Reise mit der Multimode hingeht] verlegen. Derzeit sind Datenraten von 10/40 Gbit/s mit geeigneten Transceivern über Multimode möglich (Bsp. QSFP+ und MTP).
Regel 3:
Verwende Multimode OM3 auf der selben Stockwerksebene, wenn der gesamte Kabelweg gut zugänglich ist (es darf kein Arbeitsplatz und/oder Maschine unter oder über den Kabelwegen sein). Maximale Länge: 100 m
Gleich wie Regel 2, nur mit dem besonderen Augenmerk, dass man jederzeit an den Kabelweg ran kommt.
Regel 4:
Überlege Dir gut, ob Du für die Arbeitsplatzanbindung Cat.6/7/8 Kabel verlegen willst. Maximale Länge: 90 m
Ein souveräner Planer lässt diese Regel aus. Es wird gänzlich auf die Kupferverkabelung zu den Arbeitsplätzen verzichtet, da sie meist nicht über mehrere Jahre ausreicht oder die Netzwerkdose am falschen Ende des Räumes ist. Beim Umzug innerhalb des Büros werden dann wild Patchkabel am Boden verlegt, im besten Falle mit Paketklebeband verklebt.
Die Alternative ist, dass man jeden Accessswitch für die Arbeitsplätze mit Singlemode anbindet (Regel 5). Die Arbeitsplätze werden direkt auf die Accessswitche gepatcht. Die Accessswitche sind entweder 1G-Kabelkanal-Switche oder 1G Desktop/19“ Switche ohne Lüfter und direkt unter eine Schreibtischgruppe geschraubt. Die Switche sollte typische Layer 2-Funktionen (mind. VLAN und AAA) in einem Management vereinen. Der Kältegerätestecker ist ein IEC-Lock, damit nicht durch wackelnde Stecker unnötige Probleme (Switch Neustart) auftritt. Die Vorteile liegen auf der Hand. Je nach benötigter Portanzahl kann man handelsübliche 1HE 8-port bis 48-port Switche reinsetzen. Reichen diese nicht aus, dann wird gestackt. Der User kann im besten Fall den Anschluss selber patchen und der nicht-vorhandene Access-Schrank (meist in einer Rumpelkammer auf dem Stockwerk zu finden) wird nicht mit nicht-mehr-benötigten Patchkabeln zugemüllt. Diesen Schrank gibt es schlichtweg nicht mehr. Für PoE ist auch gesorgt. PoE mit Fanless Switchen ist realisierbar - schaut euch den Juniper EX2200-C an. Wer den Schrank als "Sicherheitsfeature" behalten möchte, kann dies natürlich gerne tun.
Regel 5:
Verwende Singlemode zwischen Stockwerken, Gebäuden, Campus, Stadt oder wenn Du dir nicht sicher bist, ob Regel 1 bis 4 zutrifft. Maximale Länge: 60 km+ *
Ist die catch-all Regel. Wenn Regel 1 bis 4 nicht zutrifft, dann gilt diese Regel. Damit machst Du nix falsch, denn sie bietet maximal Flexibilität. Man kann die Faseranzahl deutlich reduzieren - zwei Fasern reichen aus, um mehrere Applikationen (Ethernet, Fibre Channel) parallel zu betreiben oder gar 960 Gbit/s mit geringem Aufwand (Stand Dezember 2014) zu übertragen. Es gibt keine Längen- und Bandbreitenbegrenzung - vor 30 Jahren wurden schon Singlemodefasern im Boden auf vielen Kilometern vergraben, die damals vermutlich ein paar Megabit/s übertragen haben. Die selben Fasern transportieren heute mehrere Terabit/s.
* Singlemode-Spans können mehrere hundert Kilometer lang sein. Dazwischen muss das Signal allerdings verstärkt werden (nicht zu verwechseln mit aktivem Repeaten). Verstärker kommen typischerweise alle 80 bis 100 km zum Einsatz. Ohne Verstärker mittels DWDM und einer Datenrate von 10G pro Wellenlänge sind Längen von ca. 60 km ohne Weiteres überbrückbar.
Ich habe nicht geprüft ob dieses kleine Regelwerk irgendwelchen Standards/Normen entspricht. Es ist auf jeden Fall sehr pragmatisch und einfach zu realisieren und flexibel für die Zukunft. Dieses Regelwerk beruht auf der Tatsache, dass die einzelnen Teile des "Ökosystem Netzwerk" unterschiedliche Nutzungsdauern haben. Die passive Verkablung soll 15 Jahre und mehr überdauern. Der Technologiewechsel in der aktiven Technik ist meist bei 5 bis 7 Jahren. Die Bandbreitenanforderungen können sich innerhalb weniger Monate schlagartig ändern. Wir selbst haben bei unserer Verkabelung Regel 1 und 5 angewendet. Ein Schrank von dem mehrere Duplex-Singlemodefasern weggehen und mittels LC-Stecker terminiert sind. Die Access-Switche sind Redundant mittels BIDI SFP angebunden. Fast fertig (den Aspekt von Wireless LAN noch ausgenommen).
Gerne kalkuliere ich zusammen mit einem Planer dieses Regelwerk an einem konkreten Projekt durch. Ich würde gerne diese 5 Regeln gegen eine heute typische OM4 Backbone-Verkabelung mit Cat.7 Arbeitsplatzverkablung für eine Datenrate von 1Gbit/s pro Arbeitsplatz (ich gehe von einer maximalen Überbuchung von 1:10 aus) vergleichen. Bitte kontaktiert mich.
Das mit den "kleinen" Switchen für den Arbeitsplatz hab ich letztes Jahr bei einem Kunden gesehen. Die hatten beim Bau der Gebäude auch nur Glas in die Räume gelegt. Jetzt hatten sie > 2000 Cisco 8 Port Switche. Und bei all diesen Switchen fehlten sämtliche IPv6 First Hop Security Features.
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Hi Jens,
danke für den Hinweis. Das ist natürlich unschön und sollte vermieden werden. Kannst du die IPv6 First Hop Security Features etwas genau beschreiben ?
Thomas
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Für Cisco findet man das hier recht gut dokumentiert: http://docwiki.cisco.com/wiki/FHS
Juniper hat für die EX-Switche jetzt wohl auch etwas in die Richtung.
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Wir setzen hier als Desktop-Switche die Cisco 500er-Serie ein, die es bis 28 GBit Ports ohne Lüfter gibt. Die haben wohl auch ganz oder teilweise FHS (habe ich auf die schnelle nicht geprüft): http://www.cisco.com/c/en/us/products/collateral/switches/small-business-500-series-stackable-managed-switches/c78-695646_data_sheet.html
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